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Senioren lernen im Klassenzimmer

| HHG in der Presse

Beim Bottroper Generationenprojekt E.U.L.E. drücken ältere Menschen noch einmal die Schulbank. Schüler klären über digitale Medien auf.

WAZ

Maike Seger (Text), Klaus Pollkläsener (Fotos) und Antonia Keßler (Gestaltung)

Bottrop. Bottrop. Die Reihen im Klassenraum der 5. Klasse füllen sich. Allerdings nicht mit dem jüngsten Zuwachs der weiterführenden Schule, der hier üblicherweise unterrichtet wird, sondern mit 22 Schülerinnen und Schülern, die ihren Schulabschluss bereits vor vielen Jahren gemacht haben. Jetzt drücken sie noch einmal die Schulbank, freiwillig.

Im Heinrich-Heine-Gymnasium in Bottrop findet die Auftaktveranstaltung des Semesters 2025/26 der Seniorenakademie E.U.L.E. statt. Das soziale Projekt besteht seit mehr als 20 Jahren und wurde vom Seniorenbeirat der Stadt Bottrop und der Schule gegründet. Der Projektname EULE steht für „Erleben. Unterrichten. Lernen. Experimentieren“. Mit dem Gedanken „Jung trifft Alt und Alt trifft Jung“ liegt die Besonderheit im generationsübergreifenden Austausch. Denn die Lehrkräfte des Senioren-Kurses sind Schülerinnen und Schüler des Heinrich-Heine-Gymnasiums.

Tim von der Haar gehört seit drei Jahren zum Team der EULE-Lehrkräfte. Der Elftklässler schätzt das Zusammenkommen mit den Senioren und die gemeinsamen Gespräche. „Gerade in kleineren Gruppen entsteht schnell eine persönliche Bindung, und es ist schön, mit einer Generation in Kontakt zu treten, in der man meist nicht so viele Menschen kennt“, erzählt EULE-Dozent Tim. „Und es ist spannend, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Menschen einer älteren Generation die Welt der Digitalen Medien wahrnehmen und damit arbeiten“, so der junge Bottroper.

Auch von den eigenen Großeltern kennt Tim einige der Fragen, die ältere Menschen im Zusammenhang mit digitalen Medien beschäftigen. „Da heißt es dann ,Kannst du mal, das WLAN funktioniert nicht‘ oder ,Hilfe, ich habe das Internet ausgedruckt‘ erzählt Tim und lacht.

So wie Tim schlüpft auch Inger Nentwig seit mehreren Jahren immer wieder in die Dozentinnen-Rolle. „Ich freue mich auf den gemeinsamen Austausch und finde es großartig, älteren Menschen Dinge beizubringen, die sie in ihrem Alltag nicht gewohnt sind. Wir hingegen wachsen damit auf. Schon bei meinen Großeltern fand ich es immer schön, zu sehen, wie sie sich freuen, wenn man ihnen etwas beibringt“, sagt die Elftklässlerin.

Einfühlsame Vermitteln von Wissen

Am Heinrich-Heine-Gymnasium können sich alle Schülerinnen und Schüler ab der neunten Klasse als EULE-Lehrerinnen und -Lehrer einbringen.

Dabei sollten sie daran interessiert sein, sich ehrenamtlich zu engagieren und Freude haben, äl- tere Menschen zu unterrichten. Ein Händchen für das einfühlsame Vermitteln von Wissen ist eben- falls von Vorteil. Begleitet und unterstützt werden die jungen Tutoren während des Projekts von Leh- rer Volker Heek und Jutta Pfingsten vom Seniorenbeirat der Stadt Bottrop.

Das Projekt setzt darauf, dass die EULE-Lehre- rinnen und -Lehrer ihr Know-how zu allen Fragen rund um digitale Medien wie Computer, Tablet und Smartphone weitergeben. Dabei sind neben ihrem Wissen auch Geduld, Einfühlungsvermögen und Offenheit gefragt. Aber auch der Spaß fehlt nicht.

Die 90-minütigen Kurse unterscheiden sich in Anfängerkurse und Kurse für Fortgeschrittene.

Sollten die Teilnehmer während eines Kurses das Gefühl haben, dass sie doch schon weiter sind oder aber Nachholbedarf besteht, können sie innerhalb des laufenden Semesters in den anderen Kurs wechseln. Zum Kurs können die Teilnehmer ihre eigene Hardware wie das Handy, den Laptop oder das Tablet mitbringen. Wer über kein eigenes Gerät verfügt, bekommt einen EULE-Laptop gestellt.

Das Konzept der Seniorenakademie orientiert sich an den individuellen Fragen und Bedürfnissen der Seniorinnen-Schülerinnen und Senioren- Schüler. Im Unterricht ist jede Frage willkommen und wird von den jungen Lehrkräften ernst genommen. Dabei widmen sie sich auch persönlichen digitalen Problemen, wie den Einstellungen auf dem eigenen Tablet oder Handy. Es geht da- rum, praktisches Wissen zu vermitteln und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in sämtlichen digitalen Belangen fit zu machen. „Ist das, was ständig aufploppt, wichtig – oder will mir da nur einer was verkaufen?“, „Wie bekomme ich meine Fotos vom Handy auf den Computer?“ oder „Wie funktioniert eigentlich Social Media?“ sind nur einige der Fragen, die an die Schüler-Lehrerinnen und -Lehrer gerichtet werden.

An der Seniorenakademie EULE können alle Menschen ab Rentenbeginn teilnehmen, die ihr bisheriges Wissen auf Vordermann bringen wollen und Lust haben auf ein generationsübergreifendes Lernerlebnis. Heidrun Kubis ist schon zum zweiten Mal dabei und lässt sich auf das Projekterlebnis mit Schülerinnen und Schülern in der Lehr-Rolle ein. Die 77-Jährige mag die Idee, dass der Kurs für ältere Menschen konzipiert ist und alle auf einem ähnlichen Kenntnisniveau sind. „Besonders gut gefällt mir, dass sich jüngere Menschen bereit er- klären, mit älteren zu arbeiten“. Von dem EULE- Projekt verspricht sich die Bottroperin, dass sie bei technischen Problemen bald nicht mehr ihren Mann fragen muss.

„Sie nehmen sich viel Zeit“

So ähnlich ergeht es auch Eveline Siegert, die bereits zum dritten Mal teilnimmt und damit fast schon zur EULE-Familie gehört. „Am Ende sind Sie länger hier als wir. Wenn wir Abitur gemacht haben und die Schule verlassen, kommen Sie immer noch her und sind Teil des EULE-Projekts“, sagt Tim von der Haar mit einem Lachen zu Eveline Siegert.

Die 68-Jährige ist da ganz pragmatisch, selbstbewusst sagt sie: „Ich könnte natürlich auch die eigenen Kinder fragen, finde es aber gut, wenn man den Mut hat, es selbst auszuprobieren“. Ihr gefällt sehr, dass der Digital-Unterricht sehr informativ ist und die jungen Leute auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen. „Sie nehmen sich viel Zeit, um unsere Fragen zu beantworten und alles Schritt für Schritt zu erklären“. Außerdem sei es „ein großartiges Gefühl, wenn sich Erfolgserlebnisse einstellen, und man merkt, es funktioniert“, sagt die Bottroperin.

Vom generationsübergreifenden Lern- und Lehrerlebnis profitieren am Ende aber nicht nur die Seniorinnen und Senioren. Auch den EULE- Lehrerinnen und -Lehrern bringt die Arbeit im Rollentausch viel, auch für die Zukunft. „Wir lernen, vor großen Gruppen zu sprechen. Bei Präsentationen im Unterricht habe ich dadurch jetzt deutlich weniger Probleme als vor meiner Lehrerrolle im EULE-Projekt, berichtet Inger Nentwig.

So empfinden es auch Co-Tutor Tim von der Haar und die EULE-Lehrerinnen Charlotte Feldhaus und Greta Wilch. Die Tätigkeit als Schüler- Lehrerin oder Schüler-Lehrer gibt also auch dem Selbstbewusstsein der Jugendlichen einen ordentlichen Push.


Mehr über die Seniorenakademie E.U.L.E.

Bis zu den Sommerferien 2026 fin- det die Seniorenakademie EULE je- den Donnerstag von 14.30 Uhr bis 16 Uhr im Heinrich-Heine-Gymnasium statt.

Ein Einstieg ist jederzeit möglich.

Der Kurs ist kostenfrei. Weitere Infos gibt es bei der Stadt Bottrop unter Tel. 02041 / 70 36 64 oder per Mail an Tim Schmidt (tim.schmidt[at]bottrop.de).

 

Quelle: WAZ Mein Sonntag, 16.11.2025

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Im Unterricht ist jede Frage willkommen und wird von den jungen Lehrkräften ernst genommen.
Beim Projekt EULE unterrichten Schüler Senioren im Umgang mit digitalen Medien.
Die Reihen im Klassenraum füllen sich mit 22 Schülerinnen und Schülern, die ihren Schulabschluss bereits vor vielen Jahren gemacht haben.
Die Lehrkräfte des Senioren-Kurses sind Schülerinnen und Schüler des Heinrich- Heine-Gymnasiums.